Dividendentraum geplatzt
Jahrelang
kassierten 190 000 Konsum-Genossen ihre Dividende. Jetzt wollen
sie nicht wahrhaben, dass ihr Geld weg ist
Von Volker Eckert
Berlin - Rudolf Hempel hatte immer ordentliche Dividenden
eingefahren. Mit umgerechnet 12 500 Euro war er vor Jahren bei der
Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend eingestiegen, jetzt ist
vielleicht das ganze Geld weg. In zwei Jahren geht Hempel in Rente.
Die „25 000 Mark“ hatte er fest eingeplant.
190 000 Kleinanleger haben es so gemacht wie Hempel
und ihr Geld der Genossenschaft anvertraut, bis zu 25 000 Euro.
Überwiegend Menschen aus dem Ostteil der Stadt, für die
der Konsum zu DDR-Zeiten eine Institution war. Nach der Wende wurden
die Läden geschlossen, das neue Unternehmen handelte überwiegend
mit Immobilien. Jetzt ist es plötzlich von Insolvenz bedroht.
Von Bilanzfälschungen ist die Rede, von viel zu hohen Dividenden,
die über Jahre ausgezahlt wurden. Und dass die Einlagen herangezogen
werden müssten, wenn die Genossenschaft noch gerettet werden
soll.
Viele Kleinanleger wollen nicht einsehen, dass ihr
Konsum auf einmal nichts mehr wert ist. Jahrelang hatten sie schöne
Dividenden erhalten. Woher die kam, während auf dem Immobilienmarkt
die Gewinnspannen immer weiter nach unten gingen, fragte niemand.
Vergangene Woche protestierten 200 vor dem Sitzungshotel,
während drinnen die Vertreterversammlung über die Zukunft
des Unternehmens beriet. „Die wollen unseren Konsum ausplündern“,
hieß es. Rudi Hacker ist einer von ihnen. Er will nicht glauben,
dass die Immobilien so viel an Wert verloren haben. „Es werden
Lügen verbreitet.“
Drinnen saß die Vertretung der Anleger und wählte
gerade den Vorstandsvorsitzenden Alexander Lottis ab, der erst seit
einigen Wochen im Amt war. Lottis hatte sich die Bilanzen der Konsumgenossenschaft
angeschaut und sein Fazit war ein Schock: Jahrelang seien die Anleger
getäuscht worden. Einem Verlust von knapp 100 Millionen Euro
im Geschäftsjahr 2002 stehen Rücklagen von 36 Millionen
gegenüber. Wenn die Genossenschaft gerettet werden sollte,
müssten die Einlagen der Anleger herangezogen werden: zusammen
57 Millionen Euro. Die Verantwortung gab Lottis seinem Vorgänger
im Vorstand, Heinz Jäger, gegen den zurzeit die Staatsanwaltschaft
ermittelt.
Die Reaktion der Anleger: Sie bestraften den Überbringer
der schlechten Botschaft. Lottis wurde abgewählt. Der 35-Jährige
war von der Deutschen Bank aus Köln gekommen. Viele Anleger
glaubten, der Jungmanager habe sich vorgenommen, ihren Konsum an
die Banken zu verhökern.
Seit Lottis Abgang sind nur noch Hannelore Winter
und Heiderose Riemer im Vorstand. Aber auch ihre Stühle wackeln.
Am Dienstagabend tagte der Aufsichtsrat der Genossenschaft, eine
Entscheidung will er aber erst am Donnerstag verkünden. Es
werde ein Weg „zur Zufriedenheit der Banken“ sein, sagte
Aufsichtsratschef Martin Bergner nach der Sitzung. Bergner glaubt
an das Sanierungskonzept von Lottis, den er gerne wieder zurück
in den Vorstand holen will.
Das wollen viele Kleinanleger immer noch nicht
akzeptieren, weil sie den kompletten Verlust ihrer Einlage fürchten.
Falls die Sanierung gelinge, macht Martin Bergner Mut, bestehe aber
noch Hoffnung. Die Einlagen würden aber erst einmal sehr viel
niedriger eingestuft und sich wohl sehr langsam erholen. „Das
ist wie bei der T-Aktie, die jetzt bei 8 Euro dümpelt. Die
Leute hoffen auch, dass sie irgendwann mal wieder steigt.“
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