Soko Lesotho
Wundersame
Begegnung: Der afrikanische Polizist Elia lernt im brandenburgischen
Bad Saarow Springreiten und informiert sich über den Alltag
auf einer deutschen Wache
Von Volker Eckert
Fürstenwalde - In einem großen roten Block
hat Refilone Elia Ramolaloane seine Fragen notiert, fast drei Seiten
voll. „Wie lange darf man in Deutschland einen Verdächtigen
festhalten, bis er dem Haftrichter vorgeführt werden muss?“,
steht da. Oder, ob die Selbstmordrate unter deutschen Polizeibeamten
genauso hoch ist wie in Südafrika. Die Fragen, die der junge
Mann sich notiert hat, sollen ihm die Polizisten in Fürstenwalde
beantworten.
Elia Ramolaloane kommt aus Lesotho, 28 Jahre ist er
alt, und jetzt mit seinem Freund David Mokala im brandenburgischen
Bad Saarow, um Springreiten zu lernen. Denn zu den Olympischen Spielen
2008 in Peking will Lesotho eine Springreitstaffel schicken. In
Lesotho reitet Elia Ramolaloane von Berufs wegen. Er ist Polizist
und hat es oft mit Viehdieben zu tun, die sich im bergigen Hinterland
verstecken. Da muss er auf dem Pferd hinterher. Sein Chef hat ihn
für die Reise nach Brandenburg beurlaubt. Dieses Jahr drei
Monate, noch mal sechs Monate im kommenden Jahr. Dafür soll
Elia Ramolaloane Informationen über die deutsche Polizeiarbeit
mitbringen. Und deshalb war er bereits zwei Mal in Fürstenwalde.
Das ist die Polizeiwache, die am nächsten an Bad Saarow liegt.
Für die ersten Annäherungsschritte hat er
die Hilfe von Steven Gentis in Anspruch genommen, von dem die Idee
mit dem Reitunterricht in Brandenburg stammt. Gentis stellte den
Kontakt her, ein Erfahrungsaustausch wurde verabredet. Einfach ist
das nicht. Ramolaloane spricht kein Deutsch und die wenigsten märkischen
Polizisten Englisch. Beim ersten Treffen mit Detlef Lüben,
dem Pressesprecher der Fürstenwalder Polizei, kam deshalb nicht
viel heraus. Die Fragen aus dem roten Block blieben unbeantwortet.
Zum zweiten Treffen wurde ein Übersetzer bestellt.
Ein Streifenwagen hat Elia Ramolaloane dazu morgens am Reiterhof
in Bad Saarow abgeholt und nach Fürstenwalde gefahren. Dort
sollte er die erst vor zwei Jahren modernisierte Wache kennen lernen.
Lüben – grauer Anzug, graue Haare, weißer kurz
geschnittener Bart – führte den Gast aus dem afrikanischen
Königreich herum, der einiges entdeckte, was er noch nie gesehen
hat. „Complicated machines“, wie er sagt. Komplizierte
Maschinen: Täterlichtbildkartei, hochgerüstete Funkeinsatzzentrale,
Fingerabdruckscanner. Auch von der Zelle ist er beeindruckt. Sie
ist sauber und den Liegeplatz kann man elektrisch erwärmen,
Service für die Betrunkenen, die ihren Rausch ausschlafen.
„Für mich sieht die Zelle aus wie ein Büro“,
sagte Elia nach dem Besuch.
Dass ein schwarzer Polizist in Brandenburg ein ungewohnter
Anblick ist, weiß Elia. Und dass es in Brandenburg Fremdenfeindlichkeit
gibt, dass Ausländer hier bedroht und manchmal beschützt
werden, hat man ihm schon erzählt. Zu beeindrucken scheint
ihn das nicht. Auf die Frage, wie er sich fühle, sagt er: „Ich
bin sehr stolz.“ Das notieren auch die lokalen Medien gerne.
Sie berichten ausführlich über die ungewöhnliche
Kooperation. Informiert werden sie von Detlef Lüben. Der weiß,
was er an Elia hat.
Elia Ramolaloanes Fragen hat dann auch beim zweiten
Treffen keiner beantwortet – bei all den neuen Sachen, die
er gezeigt bekommt. Aber er vergisst sie nicht. Im Gegenteil. Die
Liste wird immer länger. „Ich bin auf Patrouille hier“,
sagt Ramolaloane. „Ich will ganz genau wissen, wie die hier
arbeiten.“
Beim nächsten Treffen will ihm Lüben die
Schießanlage in Frankfurt (Oder) zeigen, die Autobahnpolizei
und eine Kontrolle an der deutsch-polnischen Grenze mit dem Bundesgrenzschutz.
Bis dahin werde er einen Polizisten aufgetrieben haben, der Englisch
kann, verspricht Lüben. Vielleicht hat der dann Antworten für
die Fragen im Block.
Im kommenden Jahr wird Elia Ramolaloane wieder
in Bad Saarow sein. Ein halbes Jahr lang. Für die Zeit ist
geplant, dass er die Polizeireiterstaffel in Berlin besucht. Dann
kann er auch denen ein bisschen von seiner Arbeit in Lesotho erzählen.
Von der Verfolgung von Viehdieben oder sonstigen Dingen, die für
die Berliner Polizisten fremd sind. Wie für Elia der Scanner
für Fingerabdrücke.
|