Volker Eckert


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Vernichtende Blicke zur „Bescherdigung“

Im Zakk weihnachtet es mit Frank Goosen

Von Volker Eckert

Wenn der Weihnachtsmann am Eingang eines Bochumer Kaufhauses von einem Zwölfjährigen erpresst wird, der ihm ins Ohr flüstert, dass er ihn als Pädophilen bloßstellt, falls er nicht 50 Euro rausrücke, dann sind wir in einer typischen Weihnachtsgeschichte – von Frank Goosen.

Der Weihnachtsmann, das ist Holger, Anfang 30 und nicht gerade ein Gewinner, wie man schon an seinem Job erkennt. Seine Freundin hat ihn verlassen und der vorweihnachtliche Fußgängerzonentrubel mit „Last christmas I gave you my heart“ geht ihm ziemlich auf die Nerven.

An diesem Punkt seiner kleinen Weihnachtserzählung „Sechs silberne Saiten“ hat Frank Goosen im Zakk die Zuhörer schon auf seiner Seite und ein paar Exkurse hinter sich – wie beispielsweise über die 1000 Windpockenpusteln, die ihn im Frühjahr real befallen haben und die Toten Hosen, die angeblich von Punkern zu „Konsens-Rockern“ verkommen sind.

Aber auch für Holger sieht es nicht gut aus: Er sperrt sich aus der Wohnung aus, sein Geld hat er auch vergessen und jetzt trifft er das in die Jahre gekommene Ruhrpott-Original Frau Hutwelker, die – wenn man dem Autor glauben darf – gewollte Ähnlichkeiten mit seiner Oma aufweist.

Aber dann taucht plötzlich Holgers kleiner Erpresser Dennis auf, und Holger fällt wieder dessen Mutter ein, mit der er sich viel lieber unterhalten hätte als mit ihrem verzogenen Sohn. Und wie sich herausstellt, haben Holger und der kleine Dennis sogar etwas gemein: Ihre Väter haben sich aus dem Staub gemacht.

Nachdem Frau Hutwelker Holgers Wohnungstür geknackt hat, wird es da immer voller und so langsam beginnt die anfangs so triste Anti-Weihnachtsgeschichte ihr zwischenmenschliches Potenzial auszuspielen. Der liebe Gott kommt nicht so gut weg, dafür der Glaube an die Menschen.

Frau Hutwelker klingt nach Pott und Mariacron
Goosen hat selber viel Spaß beim Vortragen, lacht mit dem Publikum und gibt jeder Figur ihre eigene Stimme, auch wenn er sich da manchmal vertut und der kleine Dennis plötzlich mit der Stimme von Frau Hutwelker spricht, die nach tiefem Ruhrpott klingt und manchem Glas Mariacron im Fernsehsessel.

Aus der Schaukel wird in Goosens sonst flüssigem Vortrag schon mal eine Schaufel, aus Bescherung „Bescherdigung“. Wer da im Saal hämisch lacht, wird mit vernichtenden Blicken des Autors bestraft. Natürlich ironisch gemeint.

Es tauchen noch Holgers Mutter auf, deren linke Brust amputiert wurde, die aber gern unaufgefordert ihre immer noch formschöne rechte herzeigt, ihr Ex-Mann und Dennis’ Mutter, alle zu Holger gelotst von einem ominösen Weihnachtsmann mit Gitarre und echtem Bart, den Holger am Morgen kennen gelernt hatte.

Doch als die ersten Zuhörer sich zu fragen beginnen, ob Goosen dieses eigentlich recht dünne Büchlein sogar komplett vorlesen wird, endet die Geschichte abrupt, als gerade wieder jemand an der Tür schellt: „Wer wissen will, wie’s ausgeht, muss ein Exemplar am Verkaufstisch erwerben.“ Ein echter Goosen-Abend eben.

(WZ vom 1. Dezember 2006) zurück zur Textübersicht