Beratung in eigener Sache
Wolf-Dieter
Natho hilft bei den Hartz-IV-Anträgen – bald stellt er
selber einen
Von Volker Eckert
Stahnsdorf - Noch sitzt Wolf-Dieter Natho auf der
besseren Seite des Beratertisches. Im Auftrag des Teltower Arbeitslosenvereins
bietet er in Stahnsdorf seit dieser Woche Hilfe beim Ausfüllen
der neuen Formulare für das Arbeitslosengeld II an. Doch Nathos
ABM läuft in fünf Monaten aus. „Dann habe ich noch
elf Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld“, sagt der 53-Jährige.
Danach wird er den 16-seitigen Antrag wahrscheinlich selber ausfüllen
müssen.
Die ABM–Stelle beim Arbeitslosenverein hat Natho
am 1. Juli angetreten. Eine Schulung hat er dafür keine bekommen.
Zur Vorbereitung hat er eine paar Informationsbroschüren gelesen
und sich im Internet schlau gemacht. Dass manche beim Ausfüllen
der Bögen Probleme bekommen, kann er sich gut vorstellen. Die
Fragen zu den eigenen Finanzen, Besitz, Versicherungen seien nicht
so leicht zu beantworten und außerdem „in verklausuliertem
Amtsdeutsch“ formuliert.
Viele werden aber nicht nur sauer sein, wenn sie den
Antrag ausfüllen, glaubt Natho, sondern erst recht, wenn sie
den Bescheid in Händen halten: die Älteren, die 40 Jahre
gearbeitet hätten und nun 331 Euro bekämen. Und die, deren
Partner verdient, denn dessen Einkünfte werden mit berücksichtigt.
„Da fällt praktisch ein Gehalt weg“, sagt Natho
mit ruhiger Stimme. So wird es auch bei ihm sein. Also eine Ungerechtigkeit,
das neue Gesetz? Natho holt ganz tief Luft, überlegt kurz:
„Irgendjemand muss das ja alles bezahlen.“ Dass gespart
wird, findet er richtig. Aber es fehle die Abfederung, deshalb würden
viele „kräftig schlucken“.
Dass auf der andern Seite die Vermittlung plötzlich
viel besser klappen soll, kann Natho sich nicht vorstellen. Auch
nicht, dass Unternehmen mehr einstellen, wenn der Staat Billiglohnjobs
fördert. Als seine Tochter ihre Ausbildung anfing, habe ihr
Arbeitgeber die Chance gesehen, den Vertrag über den Ausbildungsring
abzuschließen, der Staat übernahm also den Lohn. Für
die Tochter hieß das: Sie verdiente deutlich weniger.
Wolf-Dieter Natho hat als Diplom-Ingenieur Nachrichtentechnik
lange für die Post gearbeitet. Zuletzt war als EDV-Dozent bei
einem Bildungsträger. „Da habe ich meine eigene Konkurrenz
ausgebildet“, sagt er und lacht. Bis das Arbeitsamt die Mittel
für die Weiterbildung gekappt hat. Danach war er ein Jahr arbeitslos.
„Wissen Sie, wie viele Jobangebote mir das Arbeitsamt in der
Zeit zugeschickt hat?“, fragt er und schiebt seinen Oberkörper
über den Tisch. Kein einziges. Mit den eigenen Bewerbungen
hatte er auch nicht mehr Erfolg. Zu alt, sagt er.
Dann kam die Chance, beim Arbeitslosenverein mitzumachen.
Nach einem Jahr zu Hause sei ihm langsam die Decke auf den Kopf
gefallen, erzählt Natho. Da hätte er ganz andere Sachen
angenommen. Neulich war ein arbeitsloser Diplom-Mathelehrer bei
ihnen. Der schneidet jetzt Hecken.
Bei der Beratungsstelle für Hartz IV im Stahnsdorfer
Gemeindezentrum ist am ersten Tag niemand aufgetaucht. So hatte
Wolf-Dieter Natho Zeit, seinen Computer anzuschließen, den
der Beelitzer von zu Hause mitgebracht hat. Beim Verein ist dafür
kein Geld übrig. Ein Telefon hat er auch nicht. Da will er
mit der Gemeinde reden, damit er wenigstens angerufen werden kann.
Nächste Woche gibt es noch eine Schulung für Berater in
Potsdam, da will er hin. Ein paar Unklarheiten gibt es noch.
Beispiel Wohnung: Hier wurden zwar genaue Obergrenzen
für Größe und Miete festgelegt. Aber die Quadratmeterpreise:
Was heißt hier „angemessen“?, fragt Natho. Er
selbst hat ein Haus mit seiner Frau. Hier sagt das Gesetz: Darf
man behalten, bis 130 Quadratmeter. Seins ist aber größer.
Vielleicht wird seine ABM verlängert. Dann
hat er noch sechs Monate mehr.
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