Der Milch-Meister aus der Uckermark
Gunnar
Hemme hat eine englische Geschäftsidee nach Brandenburg importiert:
den Milchmann. Jetzt beliefert er sogar das Hotel „Adlon“
Von Volker Eckert
Schmargendorf - Gunnar Hemmes Geschäftsidee wirkt
wie aus alten Zeiten: Er bringt seinen Kunden die Milch bis zur
Haustür. Das scheinbar Altmodische ist aber auch die Stärke
von Hemmes Konzept: Der englische Milchmann, in Deutschland gab
es ihn bislang kaum – und im Osten bis zu Gunnar Hemmes Start
überhaupt nicht. Doch die Berliner und Brandenburger haben
offenbar auf einen wie ihn gewartet. Sogar das Hotel Adlon wurde
zu Hemmes Kunden. Am kommenden Donnerstag wird Hemme von der Zeitschrift
„Super Illu“ zum ostdeutschen Gründer des Jahres
gekürt.
Vor gut fünf Jahren hat der 34-jährige Niedersachse
die „Hemme Milch“ im uckermärkischen Schmargendorf
gegründet. Die strenge niedersächsische Höfeordnung,
die dort Gesetz ist, hatte ihn gezwungen, in Brandenburg von vorn
anzufangen. Denn für ihn als jüngster von drei Brüdern
waren die Aussichten schlecht, den elterlichen Betrieb zu übernehmen.
Allerdings hatte Hemme zu Beginn ein gewichtiges Problem:
Mit dem Milchmann-Prinzip hatte er zwar eine Idee, aber kein Kapital.
Er musste also einen Milchbauern finden, der ihm die Milch liefert.
Seinen Partner lernte Hemme dann im Club der Milcherzeuger kennen.
Direkt neben der Melkanlage für die 400 Kühe baute Hemme
seine kleine Molkerei, wo er mit zwei Mitarbeitern frische Vollmilch
abfüllt und Quark, Joghurt, Frischkäse und Molketrunk
herstellt. Die kleine Milchfabrik hat vielleicht 30 Quadratmeter;
zwischen Schläuchen, Maschinen und Tanks stehen sich die zwei
Kollegen fast auf den Füßen. Fünf Wagen sind täglich
unterwegs und bringen die frische Ware vor allem an den Nordrand
Berlins und das angrenzende Umland. 2500 Kunden hat Hemme.
Doch auch für dieses Konzept, das Hemme den Einkauf
der Kühe ersparte, war ein Kredit nicht leicht zu bekommen.
Bei der Bank in Angermünde schauten sie Hemme komisch an, als
er vom „Milchmann-Prinzip“ erzählte. Übel
hat er ihnen das nicht genommen. „Die kannten das eben nicht“,
sagt er heute. Schließlich bekam er das Geld von der Bank
des Vaters in Niedersachsen. Ihre Forderung: Der Vater sollte mit
einsteigen. Also heißt die Firma jetzt offiziell „G.
& J. Hemme“. Anfangs habe er schlaflose Nächte gehabt,
erzählt Gunnar Hemme, was man sich bei dem ruhigen Typen kaum
vorstellen kann. Inzwischen kann er auch wieder ruhiger schlafen.
Vor der neuen Konkurrenz aus Osteuropa hat er jedenfalls keine Angst,
dazu sei sein Geschäft zu sehr regional verankert. Sein Fazit
in norddeutscher Mundart: „Wir sehen das ’n büschen
gelassen.“
In den ersten beiden Jahren wohnte Hemme in einer
winzigen Ferienwohnung: „Kosten im Griff halten“, sagt
der stämmige Blondschopf. Inzwischen hat er geheiratet und
mit seiner Frau eine alte Gärtnerei umgebaut. Steffi Hemme
ist Molkereifachfrau und füllt die Lücken, wie sie sagt.
Sie sitzt in dem kleinen Büro gleich neben der Molkerei und
wartet auf neuen Quark. „Damit rühre ich zu Hause mal
ein paar Sachen zusammen“, sagt sie. Vielleicht einen Grillquark,
der Sommer naht. So wird bei Hemme Milch die Produktpalette erweitert.
Gunnar Hemme denkt außerdem darüber nach, auch ausländische
Milchprodukte in sein Sortiment aufzunehmen, für die vielen
Ausländer in Berlin, die zum Beispiel Ayran, den türkischen
Trinkjoghurt, noch aus ihren Heimatländern importieren. Produkte
in so kleinen Mengen herzustellen lohnt sich für die großen
Molkereien nicht, da wäre Hemme ohne Konkurrenz, hat er sich
überlegt. Er macht zwar Gewinne im Moment, aber er weiß
auch: „Man muss den Umsatz steigern, denn die Kosten steigen
auch.“
65 bis 70 Stunden arbeitet er schätzungsweise
in der Woche. Vergangenes Jahr war eine Woche Urlaub drin. Viele
landwirtschaftliche Betriebe gehen ein, weil niemand sie mehr weiterführen
will. Hemme dagegen spricht gern von „Familienpower“.
Schon mit 11 oder 12 hat er angefangen, zu Hause mitzuhelfen. Jeder
der Brüder hatte ein Spezialgebiet, seins war die Technik.
Das ist auch noch heute so. Der Nachteil: Funktioniert mal eine
Maschine nicht, wird er manchmal morgens um vier aus dem Bett geklingelt.
Aber um fünf steht er ohnehin auf.
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