Volker Eckert


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Die Magie der Zahlen

„10 + 5 = Gott“: Eine Ausstellung im Jüdischen Museum zeigt ab Mittwoch eine bunte deutsch-jüdische Kulturgeschichte

Von Volker Eckert

Die Berliner Adresse des Komponisten Arnold Schönberg klingt harmlos: Charlottenburg 9, Nußbaumallee 17. Doch der abergläubische Mann hatte die Zahlen schnell addiert und durch zwei geteilt und war auf so zu seinem Schreck auf 13 gekommen. Die Geschichte passt besonders gut nach Berlin mit seiner eigenartigen Hausnummerierung – und in die Ausstellung „10 + 5 = Gott. Die Macht der Zeichen“, die ab Mittwoch im Jüdischen Museum in der Lindenstraße 9 täglich von 10 bis 20 Uhr zu sehen ist.

Die Ausstellungsmacher präsentieren nach einigen Worten „ein Kaleidoskop überraschender Aspekte zu Buchstaben und Zahlen in der jüdischen und deutschen Kultur“. Und in der Tat bieten sie ein beachtliches Sammelsurium von Exponaten: von der Schreibfeder Rudolf von Virchows über die verbeulte Spitze einer V2-Rakete, Ausschnitten aus der jüdischen Sesamstraße bis zu Einbruchswerkzeugen der Gebrüder Sass. Viele kleine Geschichten kommen so heraus, Schlaglichter auf das deutsch-jüdische Verhältnis und den Fortbestand des Glaubens.

Die vier Dietriche und der Schneidbrenner, mit denen die Berliner Einbrecherkönige Sass in den 20er Jahren manch widerstrebende Tür öffneten, kommen aus einem Kopenhagener Museum und sind erstmals in Berlin ausgestellt. Zu sehen sind sie in der in elf Sälen ausgestellten Schau im Raum „Die Bank“. Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt sich hier als das Finanzzentrum des Deutschen Reichs. Zunehmend wichtig für die Bankiers wurde damals der Zugang zu Informationen, wie ein verschlüsseltes Telegramm zeigt, dass den Ausbruch des Ersten Weltkrieges für den folgenden Tag ankündigt. Die Bankiers hatten auch die ersten Telefonanschlüsse in der Stadt: 187 waren es im ersten Berliner Telefonbuch von 1881.

Im Hebräischen, so erfährt der Besucher gleich zu Beginn, ist jeder Zahl ein Buchstabe zugeordnet. Der Buchstabe für zehn ist Jod, der für fünf ist He, zusammen: Gott. Da dessen Name aber außerhalb des Gottesdienstes nicht verwendet werden darf, wird die Zahl 15 nicht als 10 und 5, sondern als 9 und 6 geschrieben. „Die jüdische Faszination für Zahlen“, erläutert Mit-Ausstellungsmacher Alexander Klose, „hat viele große Mathematiker hervorgebracht.“ Ohne sie wäre zum Beispiel das Nazi-Megaprojekt, die V2-Rakete zu entwickeln, nicht möglich gewesen. Ein verrostetes Exemplar erinnert daran.

Ebenfalls Berliner Ursprung hat der Ausdruck „Ach du grüne Neune!“ Er geht zurück auf ein im 19. Jahrhundert beliebtes Ausflugslokal in der Blumenstraße 9, Ecke Grünstraße. Doch im Lauf der Jahre sank in dem „Grüne Neune“ genannten Lokal das Niveau, Schlägereien nahmen zu. Bis irgendwann der schlechte Ruf sprichwörtlich war.

Das wollte ein Hausbesitzer vermeiden, der sich 1910 an die Behörden wandte: Die Mieter würden ihm weglaufen. Er beantragte die Hausnummer 12a statt der 13.

(Tagesspiegel vom 24. Februar 2004) zurück zur Textübersicht